Römischer als die Römer: Das Abstraktionsprinzip des BGB aus ökonomischer und philosophischer Sicht

Gerhard Lingelbach zum Siebzigsten!

1.      Fragestellung und Ausgangsthese

Schon der Rechtskundeunterricht vermittelt eine Ahnung davon. Und wer später Jura studiert, lernt es in voller Breite kennen: Jenes Abstraktionsprinzip, dass dem deutschen Privatrecht seinen Stempel aufdrückt und es von den Privatrechten der meisten anderen Nationen unterscheidet. (Obligatorisches) Kausal- und (dingliches) Finalgeschäft: wer später zu den Spitzenkräften der Zunft gehören will, muss hier standhalten und zeigen, was in ihm steckt. Hier scheidet sich die Spreu vom Weizen.[1] Dann aber, im praktischen Leben, wird eine solche Spitzenkraft, besonders wenn sie im internationalen Rahmen mit Wirtschaftsabläufen zu tun hat, das Abstraktionsprinzip bald in weite Ferne gerückt sehen; sie wird merken, dass die Wirtschaft (und der Rest der Welt) ohne Schaden zu nehmen auch ohne es auskommt. Nun gut, mag sie angesichts solcher Erfahrungen denken, aber mindestens wurde mir über das Abstraktionsprinzip das Schwierige und Elitäre des Rechts bewusst gemacht. Und mag es auch wenig praxisrelevant sein: das Mehr an Logik und an Gründlichkeit der deutschen Kodifikation, das darin zum Ausdruck kommt, kann jedenfalls nicht schaden, ja ist ein Wert an sich.

Abstraktion von der Causa:

Was das BGB dazu sagt, schildert P. Heck wie folgt:

„Die abstrakte Gestaltung besteht darin, dass der Rechtsgrund, durch den jedes dingliche Rechtsgeschäft, wie alle anderen Zuwendungen, veranlasst ist, nicht als Voraussetzung für die dingliche Wirkung aufgestellt wird. Als Voraussetzung genügt die gehörige, eventuell formbekleidete Willenserklärung der Partei, dass die Änderung eintreten soll.“

Sie steht im Gegensatz zur kausalen Gestaltung, „bei der die dingliche Rechtsänderung davon abhängt, dass ein rechtfertigender Rechtsgrund, wie man früher sagte, eine iusta causa, vorliegt.“[2]

Ein einheitlicher Vorgang, der bei „Wille“ und „Plan“ beginnt und bei Auslieferung des Produkts an den Käufer endet, ist zwei Rechten, dem Schuld- und Sachenrecht, zugeteilt. Dies sei sachlich geboten, meint eine Mehrheit, und es sei folglich die Leistung der deutschen Rechtswissenschaft, mit dem Abstraktionsprinzip eine Lücke geschlossen zu haben, die in den meisten Rechtsordnungen noch heute klafft.

Leistung oder Fehlleistung?

Hat Savigny, der allgemein als der „Entdecker“[3] des Prinzips gilt, den Ruhm verdient, mit dem er allein deswegen überhäuft wurde?

Was sagen die beiden Großen der deutschen klassischen Philosophie, was sagen Kant und Hegel dazu?

 

2.      Die Basisgrößen des Privatrechts: „Person“, „Eigentum“, „Vertrag“

Alle drei Begriffe nehmen in „Rom“ ihren Anfang. Sie gelten als im Wesentlichen geklärt, als sie  mehr als tausend Jahre später von dort übernommen und zu den Schlüsselbegriffen auch des deutschen Rechts gemacht werden.

Aber trifft das zu? Und wenn:

Was hat das „römische“ Verständnis dieser Begriffe mit dem Abstraktionsprinzip zu tun?

Eine generelle Bemerkung hierzu:

Richtig ist, dass in Rom erstmals Ware-Geld-Beziehungen in großem Stil aufkommen. Und richtig ist auch, dass diese eine darauf fußende Rechtsordnung erzwingen. Das scheint nahe zu legen, in „Rom“ eine „historische Vorausangabe“[4] der bürgerlichen Gesellschaft und ihres Rechts zu erblicken. So scheint es auf dem ersten Blick auch K. Marx zu sehen, wenn man bei ihm auf die nachfolgenden Textstellen stößt:

Obwohl klar ist, dass das römische Recht „einem Gesellschaftszustand entspricht, in welchem keineswegs der Austausch entwickelt war“, musste es „dem Mittelalter gegenüber als das Recht der aufkommenden bürgerlichen Gesellschaft geltend gemacht werden“, weil es die „Bestimmungen der juristischen Person, eben des Individuums des Austausches“ bereits entwickelt hat.[5] Ganz ähnlich formuliert Engels, dass das römische Recht als das „erste Weltrecht einer warenproduzierenden Gesellschaft“[6] anzusehen ist. Aber wichtig ist, dass beide betonen: Deswegen musste es „gegenüber dem Mittelalter“ geltend gemacht werden. Sie wollen sagen: Das römische Recht ist nicht das Recht der jetzigen bürgerlichen Gesellschaft, aber es steht ihr näher als das feudale und kann deshalb als Hilfsmittel dienen, sich von dem feudalen Recht abzugrenzen, ehe das Recht der bürgerlichen Gesellschaft selbst auf den Begriff gebracht ist.[7]

Und so sieht es auch Hegel. Die Warenproduktion  „Roms“ war nur „in bestimmtem Kreise entwickelt“[8], sie war, bei allem, was dort erreicht wurde, erst „anfangende“ Warenproduktion. So bedeutsam sie bereits war: Sie war noch längst nicht aus dem „naturwüchsigen“ Zusammenhängen herausgewachsen. Und das trifft auch auf die zu ihr gehörenden juristischen Begriffe zu. „Person“, „Eigentum“, Vertrag“, diese Schlüsselbegriffe es modernen Rechts, nahmen in „Rom“ erste Kontur an. Aber sie treten dort nur erst als „Momente“ des Begriffs ins Dasein, während der Begriff selbst noch bloße „Idee“[9] ist, die erst zu späterer Zeit Gestalt erlangen kann. „Bürgerliche Gesellschaft“ und „Person“. Erst nach mehreren Vorstadien und erst nach Ablauf tausender Jahre stehen wir vor diesem Ergebnis. Gleichzeitig sind ihre „naturwüchsigen“ Ausgangsgrößen nun zur Idee geworden, die von uns verlangt, sie als „Vernunftgestalten“ wiederherzustellen. Denn nur aus der einseitigen Sicht der „produzierten“ Natur und ihrer „Personen“ kann der jetzige Zustand unter Befreiung, unter „Freiheit“ verbucht werden. Nur eine „erste Weise der Freiheit“[10] ist erreicht, denn Kehrseite dieser Freiheit ist die Unfreiheit der „primären“ Natur und all dessen, was ihr zugehört, einschließlich jenes „Teil-Menschen“, der bei ihr verbleibt.[11] Was noch aussteht, soll das „Ganze“ erhalten bleiben, ist die Vermittlung der „Entgegengesetzten“. Erst wenn sie gemeistert ist, hat die Vorgeschichte geendet und ist die Menschheit in ihre eigentliche Geschichte eingetreten.

Obwohl tausend Jahre von ihm getrennt, ähnelt der jetzige gesellschaftliche Zustand dem römischen mehr als dem gerade überwundenen mittelalterlichen. Besonders der Rechtszustand. Das erklärt die magische Anziehungskraft, die jetzt von „Rom“ ausgeht. Und nicht nur Savigny unterliegt ihr. Auch die französischen Revolutionäre hofieren „Rom“. Allerdings mehr zu dem Zweck, damit ihre eigenen Anschauungen zu kostümieren. Das allerdings ist Savigny eine zu unernste Beschäftigung mit „Rom“. Was er will geht tiefer, zielt darauf ab, das römische Recht nahezu 1: 1 für die jetzige Zeit zu gewinnen. Genau das wird zum Problem werden. Denn in den tausend Jahren, die vergangen sind, stand die Geschichte nicht stille. Was in Rom, inselhaft im Rahmen des „naturwüchsigen Gemeinwesens“, aufkommt, als Ökonomie wie als Recht, sind lediglich Vorformen dessen, was erst in der bürgerlichen Gesellschaft Gestalt gewinnt. Und diese Vorformen werden nun zum Maß aller Dinge gemacht.

Das Vorstehende spricht gegen die sklavische Übernahme der Begrifflichkeit des römischen Rechts, zu der es in Deutschland kommt. Vorsicht wäre geboten gewesen. Kritische Reflexion, wie wir sie bei Hegel finden. Dieser erkennt und anerkennt durchaus, was „Rom“ Bleibendes hinterlassen hat. Aber er sieht und berücksichtigt, was die Römer nicht leisten konnten. Und er drückt es deutlich genug aus, was er von der unkritischen Übernahme a la Savigny hält: das nichts falscher sein kann als sie.

Worin zeigt sich die „Unfertigkeit“ der römischen Begriffe und welches sind die Folgen ihrer Übernahme?

Zur Person.

In Rom trennt der Status die Menschen. Vorwiegend ethnische Merkmale entscheiden darüber, ob der Mensch als „Freier“ oder als „Sklave“, als „Nicht-Arbeiter“ oder als „Arbeiter“, als Eigentümer oder als Sache, als Subjekt oder als Objekt gilt. Auf dieser Basis kann sich nur eine sehr einseitige Vorstellung von dem ausbilden, was die „Person“ ist. Wenn es in Rom also „Personenrechte“ gibt, muss man wissen: „Das römische Personenrecht ist daher nicht das Recht der Person als solcher, sondern wenigstens der besonderen Person“[12].

Die römische Person lebt vom Privileg. Und das wichtigste Privileg war, nicht Eigentum eines anderen zu sein, sondern selbst Eigentum zu haben.

„Freier“ und „Sklave“ konstituieren die antike Freiheit und Gleichheit. Die Freiheit und Gleichheit der bürgerlichen Gesellschaft aber ist ihr „Gegenteil“. Beide, der „Freie“ und der „Sklave“, gehen in der Moderne „kaputt“[13] und werden abgelöst durch die „Person“. Der Mensch als biologisches Wesen existiert fort. Aber hier, im Bereich der „produzierten“ Natur, auf der Ebene des Austausches, die auch die Ebene des Rechts ist, zählt nur das ökonomische Substrat des Menschen. Hier, auf dieser Ebene, ist der Mensch reduziert auf „Wille“ und „Eigentum“; die „Person“ ist ihre Einheit.

Die bürgerliche Gesellschaft definiert sich über die Arbeit und dem daraus folgenden Eigentum; sie ist Arbeits- und Eigentumsgesellschaft; „Arbeiterschaft“ und „Eigentümerschaft“ sind jetzt verallgemeinert. Privileg und Status sind außer Kraft gesetzt. Die „Person“ hat ihre endgültige Basis gefunden. Hegel merkt an: „Kein Freier – kein Sklave. Aber auch: kein Sklave – kein Freier.“ Die „Person“ ist vielmehr: der aufgehobene „Freie“ und der aufgehobene Sklave.[14]

Trotzdem bleibt vorherrschende Meinung, dass die „Person“ aus den Komponenten „Mensch“ und „Eigentum“ besteht, dass der Mensch durch das Hinzutreten des Eigentums zur Person gesteigert werde. Eine vermeintlich klare Kontur, von der Hegel allerdings nichts hält. Seine „Person“ ist Resultat des Zerfalls jener Ursprungsgrößen mit denen die Menschheit in ihre Geschichte eintritt: „Naturwüchsiges Gemeinwesen“ (Ebene des Allgemeinen), „Wirtschaftsfamilie“ (Ebene der Besonderheit) und „Mensch“ (Ebene der Einzelheit). Alle drei zerfallen in ihre „Entgegengesetzten“. Am Ende stehen wir (der Reihenfolge nach) vor folgenden Gegensatzpaaren:

-          aus dem Zerfall des „naturwüchsigen“ Gemeinwesens) resultieren: „produzierte“ Natur  (=bürgerliche Gesellschaft) und „vorgefundene“[15] oder „primäre“ Natur;

-          aus dem Zerfall der Wirtschaftsfamilie resultieren: Unternehmung und Kleinfamilie.

Und der Mensch? Er scheint davon ausgenommen zu sein. Denn in was sollte er, biologisch gesehen, „zerfallen“? Dem hält Hegel entgegen: Es geht hier nicht um den biologischen, sondern um den „logischen“ Zerfall. Und dieser findet sehr wohl statt. Er spaltet den Menschen auf – in jenen der „produzierten“ Natur und jenen der „vorgefundenen“ Natur. Gerade das ist ja sein Schicksal.[16] Ersterer verkapselt sich zur „Person“. Die Maßstäbe, an denen sie gemessen wird, sind jene der „produzierten“ Natur. Eine Kunstwelt ist erstanden, die nicht aus Fleisch und Blut ist. Als ihren Teil reduziert sie die „Ursprungs-Menschen“ vielmehr auf das, was sie im Laufe tausender  Jahre außerdem geworden sind: „Wille“ und „Eigentum“. In beiden gelangt die „Person“ zum Dasein.[17]

Und welches Band umschlingt sie?

Das „Band des gegenseitigen Bedürfnisses“[18].

Das vormalige Bindemittel „Blut und Boden“ ist aus dem Feld geschlagen. Die „Personen“ sind über das Recht verbunden. Deshalb gilt jetzt: Jede Person ist juristische Person[19]; die juristische Person ist die „natürliche“ Person der „produzierten“ Natur. Sie ist ein von ihrer Natur hervorgebrachtes logisch-juristisches Konstrukt. Der Mensch aus Fleisch und Blut ist lediglich ihr biologischer Träger.

 

Zweck der „produzierten“ Natur ist es, sich die „vorgefundene“ Natur zu unterwerfen und anzueignen. Dies geschieht über das Handeln der „Personen“. Denn der Zweck dieser Natur ist auch ihr Zweck.   Die bürgerliche Gesellschaft ist Arbeitsgesellschaft und die Personen sind ihre „Arbeiter“. Reduziert auf ihre „Arbeiterschaft“ ist die „Person“, der homo oeconomicus, zusammengesetzt aus „Wille“  und Werkzeug. So gesehen ist die „Person … also in Einem das Hohe und das ganz Niedrige“[20].

Was aber sehen wir bei Savigny? Er lässt in der jetzigen „Person“ den „Römer“ fortleben, indem er den Status  „frei“ verallgemeinert. Jeder Mensch ist jetzt ein freier Mensch. Er übersieht, dass beide, der „Freie“ und der Sklave, untergehen und durch ein Drittes ersetzt werden: durch die „Person“. Er denkt rein linear, rein quantitativ; er verfehlt das Thema. Die bürgerliche Gesellschaft definiert sich über die Arbeit; sie ist Arbeitsgesellschaft. Der Römer aber verstand sich als Nicht-Arbeiter; die Nicht-Arbeit war sein Privileg und das Fundament seiner Freiheit. Arbeit verband sich mit Unfreiheit, sie war Sache der Sklaven. Das Neue der bürgerlichen Gesellschaft ist, dass die Arbeit selbständiges „Ding“, mithin „frei“ geworden und mit dem „Willen“ zur „Person“ vereint ist. Damit ist der antike Mensch, existierend als Freier und als Sklave, historisch geworden; der Mensch steht ab jetzt nicht mehr im Mittelpunkt. E. Gans, Interpret der hegelschen Rechtsphilosophie, fasst die alte wie die neue Sachlage so zusammen: „‘Homo‘ heißt Mensch und Sklave, wer nichts ist als der Mensch, ist noch gar nichts.“[21]

Zum Eigentum:

Was die Moderne von Rom unterscheidet ist, dass in der seither verflossenen Zeit die „Leiblichkeit“ des Menschen nach den Zwecken der „produzierten“ Natur zu einem selbständigen und allgemein als selbständig anerkannten „Ding“ umgestaltet wurde. Sie wurde „formiert“ und ist jetzt „unter die Bestimmung von Sachen gesetzt“[22]. Sie ist etwas „Äußerliches“[23], sie ist „Ware“ geworden. Das „Arbeitsvermögen“. Das Ur- bzw. Ausgangseigentum ist fertiggestellt und ans Licht getreten. Jenes „erste Dasein“[24] des Eigentums, das jeder Person eigen ist und sie individualisiert. Kein beliebiges „Ding“ also, sondern die Hauptsache, das dem Geiste angemessene Ding, von dem sich alle anderen Sachen ableiten. Das erste und bleibend wichtigste Produktionsmittel. Die Hauptproduktivkraft. Die Grundausstattung der Person. Das eigentliche Privateigentum. Eine Handelsware! Um fremdes Arbeitsvermögen zu erlangen, muss man jetzt nicht mehr den ganzen Menschen erwerben. Die Sklaverei ist überflüssig geworden. Jedoch nur diese spezifische, an die „Leiblichkeit“ gebundene, Art derselben. Nicht auch die „Lohnsklaverei“.

Das zum „Ding“ formierte menschliche Arbeitsvermögen: Dieses „Ding“ entdeckt zu haben ist die große Leistung Hegels. Der Sach-Begriff ist damit auf die Hauptsache ausgeweitet. Oder so gesagt: Sache und Eigentum werden erstmals „nach ihrer philosophischen Wahrheit begriffen“[25].

Das Arbeitsvermögen ist deutlich von jenem Eigentum unterschieden, das lediglich Mittel der Bedürfnisbefriedigung ist. Obzwar in der Regel zum Ersten gemacht, ist es dieses nicht. Hegel erläuternd: denn es macht nicht frei, es ist „nicht identisch der Freiheit gesetzt“. In Bezug auf dieses Eigentum gilt vielmehr: „Was und wieviel Ich besitze, ist … rechtliche Zufälligkeit.“[26] Den Unterschied aufzeigend, formuliert er: „Eigentum zu haben erscheint mit Rücksicht auf das Bedürfnis, indem dieses zum Ersten gemacht wird, als Mittel. Die wahrhafte Stellung aber ist, dass vom Standpunkt der Freiheit aus das Eigentum als das erste Dasein derselben, wesentlichster Zweck für sie ist.“[27] Das Arbeitsvermögen ist damit als Zweck- bzw. als Arbeitseigentum bezeichnet. Es dient dazu, die „primäre“ Natur anzueignen. Hinzu kommt, dass über seinen spezifischen Gebrauchswert die Person individualisiert wird.

Auf das „Arbeitsvermögen“ trifft in höherem Maße zu, was Hegel zum Pflug sagt: Dieser „ist ehrenvoller, als unmittelbar die Genüsse sind, welche durch ihn bereitet werden und die Zwecke sind. Das Werkzeug erhält sich, während die unmittelbaren Genüsse vergehen und vergessen werden.“[28]  

Was Hegel entdeckt sind die zwei Existenzformen des modernen Privateigentums: die „lebendige Arbeit in der Gestalt des „Arbeitsvermögens“ und die „vergegenständlichte“ Arbeit in der Gestalt des Produktionsmittels. Damit wird er zum Schöpfer eines hochmodernen, an die Arbeit anknüpfenden, Eigentumsbegriffes, hinter dem jener, der dem BGB zugrunde gelegt wird, meilenweit zurück liegt. Denn da die Römer die Arbeitskraft noch nicht als selbständiges, unabhängig von der „Leiblichkeit“ zu sehendes, „Ding“ erkannt hatten, endet jetzt – nach Wegfall der Sklaverei - der Eigentumsbegriff vor der Tür der Hauptsache. Die wichtigste Sache, das wichtigste Eigentum wird daher im deutschen Zivilrecht (und nicht nur dort!) wie die Arbeitsleistung des freien Römers bewertet, nämlich als  „Vermögen“.[29]

Hegels Eigentumsbegriff setzt beim „Arbeitsvermögen“ an, umfasst also alle Tätigkeit, die zwischen „Plan“ und „Produkt“ liegt. Das „Ur-Eigentum“. Austausch ist also in jedem Fall Austausch von Arbeit. Gleichgültig ist, ob diese Arbeit als „lebendige“ oder bereits „vergegenständlichte“ vorliegt. Das ist der Grund, warum „für Hegel … jeder Schuldvertrag … seinem Begriffe nach Veräußerungsvertrag“ ist.[30] Er entscheidet sich damit keineswegs gegen den schuldrechtlichen und für den sachenrechtlichen Vertrag, sondern er verwirft diese Unterscheidung und Entgegensetzung zugunsten eines einheitlichen Vertrages.[31]

Ein Blick auf Kant.

Sein Menschenbild beruht auf der „absolute[n] Einheit“[32] von Geist und Leiblichkeit. Während er den Zerfall beim Gemeinwesen und bei der Familie durch die empirischen Befunde belegt sieht, bleibt er hier, auf der Ebene des Menschen, bei dem empirischen Befund stehen, der ihm nach wie vor einen „ganzen“ Menschen zeigt. Die Folge: Nur der „freie Wille“, nun allerdings allen Menschen zugebilligt, macht diesen Menschen zur „Person“. Das ist richtig, ist aber nur die halbe Wahrheit. Zur Wahrheit gehört eben auch das, was Hegel schreibt: „Der Körper, insofern er unmittelbares Dasein ist, ist er dem Geiste nicht angemessen; um williges Organ und beseeltes Mittel desselben zu sein, muss er erst von ihm in Besitz genommen werden“[33].

Der vom Willen als Werkzeug in Besitz genommene eigene Körper – das ist das Neue, das macht die moderne Person und das moderne Eigentum aus.

Zum Vertrag:

Die bürgerliche Gesellschaft ist durch Arbeitsteilung und Warenproduktion charakterisiert. Was in den vorhergehenden, um den Gebrauchswert zentrierten, Produktionsweisen nur am Rande steht, steht jetzt im Mittelpunkt. Statt Gebrauchswert- nun Tauschwertproduktion. Kein Produzent produziert für sich selbst. Jeder produziert für den anderen. Jeder produziert das Eigentum des anderen. Der Austausch ist gewissermaßen „Beihilfe“ zum Eigentumserwerb; jeder schuldet ihn dem anderen. Und der Vertrag tritt auf als Vermittler; er ist „Eigentum in seiner vermittelten Gestalt“[34]. Er sorgt dafür, dass am Ende jeder die richtige Sache in Händen hat. Das ist der Grund, warum Hegel in ihm ein „Verhältnis des objektiven Geistes“[35] sieht.

Die individuell betriebene Aneignung führt zunächst nur zu Besitz. „Eigentum“ wird die angeeignete Sache erst über den Austausch; erst er und die mit ihm verbundene wechselseitige Anerkennung des Besitzes als Eigentum führen also zu einer endgültigen Zuordnung. Hegel in § 72 R: „Das Eigentum, von dem die Seite des Daseins oder der Äußerlichkeit nicht mehr nur eine Sache ist, sondern das Moment eines (und hiermit anderen) Willens in sich enthält, kommt durch den Vertrag zustande – als den Prozess, in welchem der Widerspruch, dass Ich für mich seiender, den anderen Willen ausschließender Eigentümer  insofern bin und bleibe, als Ich in einem anderen identischen Willen aufhöre, Eigentümer zu sein, sich darstellt und vermittelt.“[36] Kurz gesagt: der Vertrag überführt das Angeeignete in Eigentum.

Wir stoßen beim Austausch auf zwei Extreme:

Das eine Extrem liegt vor, wenn die Arbeitskraft selbst veräußert wird. Früher die Ausnahme, ist jetzt, nach Auseinandertreten der „Wirtschaftsfamilie“ in Kleinfamilie und Unternehmung, der Kauf und Verkauf der Arbeitskraft Grundvoraussetzung der jetzigen Produktionsweise. Im Unterschied zu „Rom“ muss jetzt aber, um in ihren Besitz zu gelangen, nicht der ganze Mensch gekauft werden, sondern nur das, durch Formierung der Leiblichkeit zu einem separaten Ding gewordene, „Arbeitsvermögen“. Die „Person“ des Arbeiters bleibt trotz des Verkaufs der Arbeitskraft erhalten, weil an die Stelle des Verkauften der Gegenwert tritt, der Arbeitslohn.

Das zweite Extrem liegt vor, wenn ein bereits fertiges bzw. vorrätiges Produkt vor Ort an den Käufer übergeben wird.

Dazwischen liegt die große Bandbreite jener Verträge, bei denen Vertragsschluss und Vertragserfüllung zeitlich auseinander fallen, weil die jeweiligen Vertragsgegenstände (z.B.) erst hergestellt werden müssen.

Ich kaufe also  

a)      direkt die Arbeitskraft;

b)      indirekt die durch die fremde Arbeitskraft schon hergestellten oder erst noch herzustellenden  Sachen.

Oder so gesagt: ich kaufe „Arbeit“; sie ist immer, in je unterschiedlichem Aggregatzustand und empirischer Existenzform, der Vertragsgegenstand. „Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass im Hegelschen System für einen Schuldvertrag im modernen Sinn überhaupt kein Raum ist.“[37]

Ein Zwischenfazit:

Unter dem Einfluss der historischen Schule kam es in Deutschland zu einer besonders unkritischen, unreflektierten Übernahme des römischen Rechts. Sie ließ unberücksichtigt, dass die Römer die zentralen Institute des Rechts aufgrund der unentwickelten ökonomischen Verhältnisse nicht auf den Begriff bringen konnten, sondern nur „Momente“ desselben; damit mussten sie sich behelfen. „Person“, „Eigentum“, „Vertrag“ – keiner dieser Begriffe war „fertiggestellt“, galten Savigny aber so. Und so wurden die aufgezeigten Dualismen, Ausdruck der „Unfertigkeit“, aufgegriffen und dogmatisiert. Aus provisorischen Trennungen wurden Trennungs-Prinzipien.

 

3.      Kein Schuldrecht; alles Recht ist Sachenrecht

(Die Einteilung des Rechts bei Kant und Hegel. Die Unterschiede und ihre Bedeutung)

Die ökonomische Basis unserer Zeit ist eine völlig andere als die „Roms“. Sie hat die Gründe der oben aufgezeigten Dualismen „erledigt“. Alle tragenden Begriffe des Rechts sind „fertiggestellt“. Allen voran: der Begriff „Eigentum“. Folglich können auch die beiden Extreme des Austausches sowie alle Formen, die dazwischen liegen, über einen einheitlichen Typ von Vertrag abgewickelt werden. Eine neue Sachlage, die Hegel in die Worte fasst: „objektiv ist ein Recht aus einem Vertrage nicht Recht an eine Person, sondern nur an ein ihr Äußerliches oder etwas von ihr zu Veräußerndes, immer eine Sache.“[38]

Das ist gegen Kant gerichtet, dessen Einteilung des Rechts er gerade dort verwirft, wo sie, nicht zuletzt über das Wirken Savignys[39], von der Rechtswissenschaft übernommen wird und bis heute das deutsche Recht prägt.

Kant teilt das Recht ein in:

-          das Sachenrecht (§§ 11-17 MdS);

-          ein Personenrecht (§§ 18-21 MdS);

-          das auf dingliche Art persönliche Recht (§§ 22-23 MdS).

Was bereits deutlich wurde:

Kants Ausgangspunkt ist eine „Mensch-Person“, die das Resultat der Moderne, die Aufspaltung des „naturwüchsigen“ Menschen in „Person“ und „Subjekt“, unberücksichtigt lässt bzw. falsch interpretiert.[40] Die Folge ist eine viel zu optimistischen Auffassung von der bürgerlichen Gesellschaft und ihrem Recht. Das erklärt, dass sie bis heute weltweit ein philosophischer Eckpfeiler des juristischen Denkens ist. Sie soll nachfolgend näher betrachtet werden. Und zwar aus der Sicht Hegels, der seine realistische Auffassung durchgängig in Auseinandersetzung mit Kant entwickelt.

Und um auch dies noch vorweg zu sagen: das interessanteste und aktuellste dieser Rechte, das „auf dingliche Art persönliche Recht“, ist sowohl von Savigny und seiner Schule als auch späterhin als „systemwidrig“ verworfen worden. Aus meiner Sicht ist O. v. Gierke wenn nicht der einzige, so doch der wirkmächtigste, der mit seiner Genossenschaftslehre daran anknüpft und es als „Sozialrecht“ zu Ehren bringt.[41]

Hier interessieren die beiden erstgenannten Rechte, weil sie uns zu der heutigen, durch die Trennung des Rechtsstoffes in zwei große Gruppen - in „Sachenrecht“ und „Schuldrecht“ - gekennzeichneten,  Sichtweise führen.

Sachenrechte führen lt. Kant zu Eigentum, das das isolierte Individuum durch die „urursprüngliche“ Aneignung Mensch – Natur, die occupatio, ohne Eingehung eines Vertrages gewinnt. Der Besitz an Grund und Boden ist für ihn die „erste“ bzw. „ursprüngliche“ Erwerbung einer Sache[42]; sie macht mich zum Eigentümer. Das „Sachenrecht“ ist daher für Kant das Recht an jenen Sachen, die unmittelbar aus der Aneignung der „primären“ Natur hervorgehen. Das von mir der Natur Abgerungene wird abgegrenzt, wird separiert, wird – wenn es sich auf den Boden bezieht – durch Grenzzeichen als „mein“ markiert und sichtbar gemacht.

Das „persönliche“ Recht hingegen führt zu Eigentum, welches durch Austausch gewonnen wird. Dazu bedarf es des Vertrages, des zentralen Instituts des „persönlichen“ Rechts, von dem Kant sagt, dieser sei das Einwirken meines Willens auf den Willen eines anderen.

In § 18 MdS heißt es dazu:

„Der Besitz der Willkür eines anderen als Vermögen, sie durch die meine nach Freiheitsgesetzen zu einer gewissen Tat zu bestimmen (das äußere Mein und Dein in Ansehung der Kausalität eines anderen), ist ein Recht (dergleichen ich mehrere gegen ebendieselbe Person oder gegen andere haben kann); der Inbegriff (das System) der Gesetze aber, nach welchen ich in diesem Besitz sein kann, das persönliche Recht, welches nur ein einziges ist.“

Er erläutert:

„Die Erwerbung eines persönlichen Rechts kann niemals ursprünglich und eigenmächtig sein“, weil sonst das Freiheitsgesetz verletzt wird. Also ist der Austausch „Erwerbung durch die Tat eines anderen, zu der ich diesen nach Rechtsgesetzen bestimme“.

Er unterscheidet zwei große Gruppen:

-          Geschäfte, bei denen Vertragsabschluss und Erfüllung eins sind. Viele Geschäfte des täglichen Lebens sind davon erfasst;

-          Geschäfte, bei denen zwischen Abschluss und Erfüllung eine mehr oder weniger lange, oft der Herstellung dienende, Zwischenzeit liegt; ein in der Wirtschaft vorherrschender Typ.

Wenden wir uns der zweiten Gruppe zu. Hier ist die Sache, die der Gläubiger erwerben will, bei Vertragsschluss noch nicht als selbständiges Ding zutage getreten; sie „versteckt“ sich noch in der „Leiblichkeit“ des Schuldners. Deswegen kann sich der Anspruch in diesem Stadium nur gegen die physische Person richten und damit – sachenrechtlich gesehen – auf etwas sowohl Anderes wie auch Minderes. Ich erwerbe „nicht eine äußere Sache“, sondern nur das „Versprechen eines anderen (nicht das Versprochene)“. Ich werde also nicht unmittelbar Eigentümer. Aber: es „kommt etwas zu meiner äußeren Habe hinzu; ich bin vermögender geworden … durch Erwerbung einer aktiven Obligation auf die Freiheit und das Vermögen des anderen“[43]. Denn, wie Kant erläutert, das Recht des Gläubigers „ist nur ein persönliches, nämlich gegen eine bestimmte physische Person, und zwar auf ihre Kausalität (ihre Willkür) zu wirken, mir etwas zu leisten, nicht ein Sachenrecht gegen diejenige moralische Person, welche nichts anderes als die Idee der a priori vereinigten Willkür aller ist, und wodurch ich allein ein Recht gegen jeden Besitzer derselben erwerben kann; als worin alles Recht in einer Sache besteht.“[44]

Nur die „Kausalität“ hat der Käufer zunächst in den Händen, also die Zeitspanne zwischen Ursache und Wirkung, zwischen Abschluss und Erfüllung, zwischen Plan und Planrealisierung. Die Zeit des Handelns. Die Zeitspanne, in der Arbeit aus dem Aggregatszustand „lebendig“ in den Aggregatszustand „vergegenständlicht“ wechselt. Das Versprechen einer Tat, nicht deren Resultat. Immerhin: damit gelangt der Gläubiger bereits in den „Besitz der Willkür eines anderen“[45]. Darin besteht  der Vermögenszuwachs. Da aber das „Vermögen“ zu Eigentum erstarken soll, muss zum „personenrechtlichen“ Vertrag ein weiteres Moment, die Übergabe der Sache an den Gläubiger, hinzutreten. Geschieht dies, wird er Eigentümer.

Die Frage ist nun, ob diese Übergabe Teil des bereits vorliegenden Vertrages ist oder ob hierin ein weiterer, ein dinglicher Vertrag zu sehen ist. Die Römer ließen sie offen. Ihnen genügte, dass am Ende, dass mit erfolgter Übergabe, der Gläubiger Eigentümer war.

Dazu erklärt Kant sich in § 21 MdS näher:

„Eine Sache wird in einem Vertrage nicht durch Annehmung (acceptatio) des Versprechens, sondern nur durch Übergabe (traditio) des Versprochenen erworben. Denn alles Versprechen geht auf eine Leistung und, wenn das Versprochene eine Sache ist, kann jene nicht anders entrichtet werden als durch einen Akt, wodurch der Promissar vom Promittenten in den Besitz derselben gesetzt wird, d.i. durch die Übergabe. Vor dieser also und dem Empfang ist die Leistung noch nicht geschehen; die Sache ist von dem einen zu dem anderen noch nicht übergegangen, folglich von diesem noch nicht erworben worden, mithin das Recht aus einem Vertrage nur ein persönliches und wird nur durch die Tradition ein dingliches Recht.“ In den wichtigen und häufigen Fällen, wo ein unmittelbarer Austausch von Sachen nicht erfolgen kann, da sie vom Schuldner erst produziert bzw. beschafft werden müssen, bleibt der Erwerb der „Sache“ bis zur Erfüllung offen. Ist nun die Übergabe als selbständiger Vertrag anzusehen? In § 31 MdS verneint er das. Er spricht dort zwar von zwei selbständigen rechtlichen Akten. Er bezieht dies aber nur auf das Zustandekommen des Vertrages durch „Versprechen“ und dessen „Annahme“. Da über den so zustande gekommenen Vertrag nur „Vermögen“ und noch kein Eigentum erworben wird, braucht es eines „Ergänzungsstücks“ zur Vollständigkeit, „nämlich der Erwerbung.“ Diese aber ist für ihn „nicht ein Teil, sondern [nur] die rechtlich notwendige“, die „physische Folge“ des bereits vorliegenden Vertrages und kein neuer bzw. weiterer Vertrag.

 Eindeutig ist für ihn die Sachlage nur bei Geschäften, bei denen Vertragsschluss und Übergabe zusammenfallen. „Aber wenn zwischen beiden noch eine (bestimmte oder unbestimmte) Zeit zur Übergabe bewilligt ist, fragt sich: ob die Sache schon vor dieser durch den Vertrag das Seine des Akzeptanten geworden ist und das Recht des letzteren ein Recht in der Sache sei oder ob noch ein besonderer Vertrag, der allein die Übergabe betrifft, dazu kommen müsse, mithin ein Recht durch die bloße Akzeptation nur ein persönliches sei und allererst durch die Übergabe ein Recht in der Sache werde?“

Nehmen wir eine Wertung vor:

Weil Kant das Arbeitsvermögen noch nicht gegenständlich, als separates Ding sieht, erwächst ihm daraus (s)ein zentrales Problem: Was ist Gegenstand des Vertrages, wenn es die „Leiblichkeit“ selbst nicht sein kann? Seine Antwort: die „Kausalität“, der Ursache-Wirkungs-Zusammenhang. Der „Zweck“, der einen Namen haben muss, der deshalb als „Kauf“, als „Werk“, als „Miete“ konkretisiert bzw. „tituliert“[46] sein muss. Mit „Kausalität“ umschreibt er den Prozess, der zum Produkt führt. Erst wenn er beendet ist, besteht Sicherheit, erst da ist fester Grund erreicht: die „Sache“, das „Eigentum“. 

Der Wegfall des „Sklaven“ ist bei Kant nur zur Hälfte verarbeitet. Die in Rom nur äußerliche, sachenrechtliche Verbindung eines „Freien“ („Wille“) und eines „Unfreien“ („Werkzeug“), ist bei ihm durch eine „innerliche“ bzw. „personenrechtliche“ Verbindung ersetzt. Aber diese Innerlichkeit findet in der „Leiblichkeit“ eine biologische und nicht logische Erklärung. Er sieht nicht, dass Freier und Sklave, dass Wille und Werkzeug jetzt nicht mehr auf zwei Menschen verteilt, sondern in der „Person“ zusammengeführt sind. Vertragsschließende in Rom waren „Freie“, die selbst nicht, auch nicht teilweise, unter den Begriff der Sache fielen. Jetzt aber ist jedermann Subjekt und Objekt, Freier und Sache zugleich.

Wenden wir uns Hegel zu:

Kants „Metaphysik der Sitten“ und Hegels „Rechtsphilosophie“ liegen nur circa 40 Jahre auseinander. Doch das Bild, das sie von der bürgerlichen Gesellschaft entwerfen, unterscheidet sich beträchtlich. Ein gründliches Studium der englischen Ökonomen versetzt Hegel in die Lage, ihren ökonomischen Kern zu erfassen. Er schiebt die Verklärung zur Seite, die sie durch die Philosophie der Aufklärung erfahren hat. Er sieht sie, wie sie wirklich ist und worauf sie abzielt.

Gegen die „Kantische und sonst beliebt gewordene Einteilung in sächliche, persönliche und dinglichpersönliche Rechte“ gewandt, formuliert er in § 40/A R:

„Die Einteilung des Rechts in Personen-Sachenrecht und das Recht zu Aktionen hat, so wie die vielen anderen Einteilungen, zunächst den Zweck, die Menge des vorliegenden organischen Stoffs in eine äußerliche Ordnung zu bringen. Es liegt in diesem Einteilen vornehmlich die Verwirrung, Rechte, welche substantielle Verhältnisse wie Familie und Staat, zu ihrer Voraussetzung haben, und welche, die sich auf die bloße abstrakte Persönlichkeit beziehen, kunterbunt zu vermischen.“

Verweilen wir bei der Unterscheidung in:

a)                  „Rechte, welche substantielle Verhältnisse … zu ihrer Voraussetzung haben“

              und

b)                 Rechte, „die sich auf die bloße abstrakte Persönlichkeit beziehen“.

Die „substantiellen Verhältnisse“, von Kant angesprochen in seinem „auf dingliche Art persönlichen Recht“, beziehen sich auf „Kollektiv-Einheiten“ und deren Rechtsbeziehungen im Inneren. Um seinen Beispielen zu folgen: Sie führen zu einem Familienrecht, zu einem Staatsrecht. Geregelt sind dort die Rechte und Pflichten der jeweiligen sozialen Einheit gegen ihre Mitglieder und umgekehrt: der Rechte und Pflichten der Mitglieder gegenüber der Kollektiv-Einheit. Sie führen dorthin, wo auch Hegel, wo später auch Gierke hin will: zu einem „Sozialrecht“.

Die anderen Rechte beziehen sich hingegen auf die bloße abstrakte Persönlichkeit, d.h. auf die aus allen sozialen Bezügen herausgerissene, isoliert und atomisiert existierende Einzahl „Person“. Die Schlussfolgerung: diese „Person“ kennt kein substantielles (Binnen-)Verhältnis. Das Rechtsverhältnis ist hier nur ein Verhältnis zwischen den Atomen. Und da das Atom „Person“ nicht Objekt von Rechten Dritter sein kann, kann sich ein solches Rechtsverhältnis nur auf „Sachen“ beziehen, auf den Austausch von „Sachen“. Das führt zum nächsten Punkt. Hegel kennt nur das „Sachenrecht“. Was uns das „Schuldrecht“ ist, lässt er nur als das „Recht zu Aktionen“ gelten – dazu da, auf Leistungsstörungen zu reagieren, die bei Austauschverträgen auftreten können, bei denen Abschluss und Erfüllung zeitlich auseinanderfallen. 

Die Person ist das Rechtssubjekt – auf welcher Seite des Vertrages sie auch steht. „Verstrickt“ wird durch den Vertrag nicht sie, sondern immer nur eine Sache, darunter die  Hauptsache, das „Arbeitsvermögen“. Nicht auch der „Wille“. Hegel lässt daher die übliche Einteilung in obligatorische und dingliche Verträge nicht gelten. „[N]ur die Persönlichkeit [gibt] ein Recht an Sachen … und daher [ist] das persönliche Recht wesentlich Sachenrecht[47]. Damit ist sein prinzipieller Standpunkt aufgezeigt: die Person ist unantastbar, sie ist immer Rechtssubjekt, nicht auch Rechtsobjekt. Der „Wille“, ihr fester Punkt, ist und bleibt „frei“; ein in seiner Freiheit eingeschränkter Wille zerstört die Person.[48] Den „Besitz der Willkür eines anderen“ schließt Hegel also aus. Kants Position der „persönlichen Rechte“ ist für ihn vorbürgerlich und damit auch unfreiheitlich.[49] Der variable Bestandteil der Person, das Arbeitsvermögen, existierend als „lebendiges“ oder „vergegenständlichtes“, wird hingegen ständig ausgetauscht.

Für Hegel ist das Vertragsrecht allenfalls in dem Sinne „Schuldrecht“, weil sich aus dem Austauschgesetz die Pflicht ergibt, Verträge einzugehen. „Frei“ ist jeder nur darin, mit wem er kontrahiert. Grundsätzlich aber geht es um den Austausch von Sachen, weshalb alles Vertragsrecht „Sachenrecht“ ist.

Die Warenproduktion, generell: die gesellschaftliche Arbeitsteilung, zwingt zum Austausch; dieser wird zu einem „Muss“. Die „produzierte“ Natur ist so eingerichtet, „dass jedes [Individuum] nur seinen Zweck erreicht, soweit es dem andren als Mittel dient“[50]. Jeder schuldet dem anderen aus einem objektiv bestehenden Zusammenhang heraus, gewissermaßen von Amts wegen, den Austausch; ein wechselseitiges „Schulden“ also. Und wie bereits bemerkt: Jeder ist erst am Ziel, jeder ist erst Eigentümer, wenn er das „richtige“, d.h. das fremde Produkt in Händen hat. Deshalb ist der Austausch ein Muss; nur durch ihn „bin und bleibe [ich] … Eigentümer“[51]. Ohne Austausch und ohne Vertrag kein Eigentum! Jedermann ist daher verpflichtet, Verträge zu schließen. Jedermann ist Schuldner und Gläubiger des anderen.

Niemand produziert für sich, jeder für den anderen. Jeder hat am Ende seines Produzierens das „falsche“ Produkt in Händen – und erst durch den Austausch wird dieses Ergebnis korrigiert. Das „fremde“ Produkt wird sein Eigentum; das eigene Produkt wird Eigentum eines Fremden. Ein ewiger Ringtausch. Und erst, wenn ich das eigene gegen ein fremdes Produkt eingetauscht habe, bin ich Eigentümer. Hegel in § 72 R dazu: „Das Eigentum … kommt durch den Vertrag zustande.“

Dieser Umweg über das Produkt des anderen, den das Eigentum nehmen muss, macht den Vertrag zu einem „Verhältnis des objektiven Geistes“ (§ 71 R); es ist deshalb eine „Schuld“ diesem Geist gegenüber, der ich durch Eingehen und Erfüllen von Verträgen gerecht werden muss. Ich befolge damit ein Gesetz – und zwar des Naturgesetz der „produzierten“ Natur. Auf diesem Hintergrund ist zu verstehen, wenn E. Gans[52] betont: Ich muss Eigentum haben, ich muss austauschen. Ein „Müssen“, das er dem, schon damals und bis heute, eifrig betonten „freien Willen“ entgegenhält. Achtzig Jahre später sieht E. Rosenstock die Sache ganz ähnlich, wenn er feststellt: „Also ist der Vertrag vor den beiden Willenserklärungen da. Er diktiert die Erklärungen. Nicht kommt er durch sie zustande.“[53]

Nur im Sinne des Vorstehenden versteht und akzeptiert Hegel den Begriff „Schuldrecht“.  Sonst aber, im Verhältnis der Vertragspartner zueinander, ist dieses Recht für ihn „Sachenrecht“; jeder Austausch hat „Sachen“ zum Gegenstand. Dort liegt der Schwerpunkt. Das „Notwendige“ wird betont: der Notwendigkeit des Austausches folgt die Notwendigkeit des Vertrages; dieser vermittelt den Widerspruch zwischen atomistischer Aneignung und gesellschaftlicher Natur des Angeeigneten. Oder so gesagt: der gesellschaftliche Charakter der Aneignung zwingt den Einzelnen zum Austausch. Das individuell Angeeignete ist das Eigentum des anderen. Es gehört daher nicht zur jetzigen Freiheit des Individuums, sich dem Austausch und damit: dem Vertrag, zu verweigern. Das „Ganze“ steht im Mittelpunkt. Über dieses wird der vorbezeichnete Widerspruch überbrückt bzw. „vermittelt“.

Diese Bezüge zum „Ganzen“ lässt Kant außer acht. Er verlagert die „Schuld“ in das Innere der Vertragsbeziehung; sie wird bei ihm zu einer Schuld des einen gegen den anderen Partner bzw. der einen gegen die andere Person. Das macht sein „Personenrecht“ zu einem „Schuldrecht“  und führt generell zur Unterscheidung in schuldrechtliche und dingliche Verträge. Waren für Hegel Austausch und Vertrag Verhältnisse des objektiven Geistes, sind sie für Kant solche des subjektiven Geistes. Der Begriff „Schuldrecht“ wird von außen nach innen gewendet und gewinnt dadurch eine völlig andere Bedeutung. Kant sieht nicht, dass bereits mit Vertragsabschluss der Vertragsgegenstand übereignet wird, wenn zu diesem Zeitpunkt auch nur in der gestaltlosen Form „lebendiger“ Arbeit. Da die wirtschaftlich wichtigsten Verträge den Vertragsgegenstand von der Stufe „lebendige“ Arbeit bis zur Vergegenständlichung dieser Arbeit im Produkt oder Werk begleiten, scheinen diese Verträge als „schuldrechtliche“ zu beginnen und als „sachenrechtliche“ zu enden. Wird jedoch das Arbeitsvermögen als „Sache“ angesehen, entfällt der schuldrechtliche Teil des einheitlichen ökonomischen und juristischen Vorgangs; wir haben einen Vertrag vor uns, der – weil er ja die Attribute „schuld“- und „sachenrechtlich“ entbehrlich macht, einfach nur „Vertrag“ ist.

Zu den wenigen, die sich im 20. Jahrhundert philosophisch mit der hier angesprochenen Thematik auseinandersetzen, gehören J. Binder und seine Zöglinge K. Larenz und G. Dulckeit.  Was Binder  zu sagen hat, ist doppelt interessant, weil er erst Kantianer ist und dann, etwa um 1925 zu Hegel konvertiert. Aber es ist nicht leicht, Kant abzulegen. Noch dazu als deutscher, mit der Lehre  Savignys aufgewachsener Jurist. Das zeigt sich an dem, was Binder im April 1933 auf dem Hegelkongress in Rom vorträgt. Er stellt heraus, dass Hegel den obligatorischen Vertrag nicht kennt, ja dass Hegel „den Vertragsschemata des römischen Rechts … im wesentlichen verständnislos gegenübersteht“. Das zeige sich darin, dass er stattdessen  einen Vertrag zugrunde legt, der „Veräußerung und den Erwerb von Eigentum zum Gegenstand hat“. „Das Wesen des römischen Kontraktes als eines bloßen Verpflichtungsgeschäftes wird dabei überhaupt nicht erfasst, tritt gar nicht über die Schwelle des Bewusstseins des Philosophen“. Das sei „ein auffälliger Mangel.“[54]

Ganz ähnlich formuliert K. Larenz:

„Hegel kennt den Vertrag … nur als dinglichen Vertrag, als Disposition des Willens über eine Sache, nicht als schuldrechtlichen Verpflichtungsvertrag, und seine Einteilung der Verträge kann uns aus diesem Grunde nicht genügen.“[55]

Beide gehen so selbstverständlich davon aus, dass zu einer gottgewollten Rechtsordnung das Trennungsprinzip gehört, dass sie nicht einmal fragen, was für Hegels Auffassung spricht.

Weit näher am Verständnis Hegels ist G. Dulckeit, wenn er schreibt:

Der „Schuldvertrag“ war Hegel nicht unbekannt. Weshalb aber hat er ihn „– im Gegensatz zu Kant – als begriffloses Gebilde nicht übernommen…, sondern in seinem einheitlichen Vertragsbegriff aufgehen lassen“[56]? Seine Antwort: Nach Hegel ist der „Eigentumsübergang bereits durch die Übereinkunft des Vertrages bewirkt“[57].

Eine Zusammenfassung könnte wie folgt lauten:

Nicht die Konzeption eines dinglichen Vertrages ist falsch, sondern die Konzeption 2-er Verträge. Der „personenrechtliche“ Vertrag Kants ist mit Übergang in die bürgerliche Gesellschaft überflüssig geworden, weil er nur eine Vorstufe des dinglichen war. Oder so: er war seinem Wesen nach schon immer „dinglich“. Dieses Wesen ist nun ans Licht getreten. Das erkannt zu haben ist das Verdienst Hegels. Im klaren Gegensatz zu Kant und Savigny formuliert er, welche Wirkung er dem abgeschlossenen Vertrag zumisst:

„Die Stipulation des Vertrages … ist schon selbst das Dasein meines Willensbeschlusses in dem Sinne, dass ich meine Sache hiermit veräußert, sie jetzt aufgehört habe, mein Eigentum zu sein, und dass ich sie bereits als Eigentum des anderen anerkenne.“[58]

 

4.      Wie reflektiert die deutsche Rechtswissenschaft das Thema?

Ein Merkmal der deutschen Rechtswissenschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist ihr geradezu sklavisches Festhalten an den aufgezeigten römischen Dualismen. Was in Rom Ausdruck der Unfertigkeit der tragenden Begriffe Person, Eigentum und Vertrag war, ist von ihr, wissenschaftlich aufgepeppt und aktualisiert, kanonisiert und überdies in geltendes Recht überführt worden. In gewisser Weise ist es also so, dass das Recht in Deutschland „römischer“ verstanden und gehandhabt wird als im antiken Rom. Das Abstraktionsprinzip, Markenzeichen, ja Hätschelkind des deutschen Privatrechts,  ist ein Beispiel dafür. Und wie fragwürdig seine Existenz und gar erst seine praktische Bedeutung auch sein mag: sicher ist, dass es schon so manchen Jurastudenten in die Knie gezwungen hat.

Die Römer lassen ein und denselben Vertrag „obligatorisch“ beginnen und als „dinglichen“ enden. Ihr Vertrag unterliegt also im Zuge seiner Erfüllung einem juristischen Gestaltwandel von „obligatorisch“ zu „dinglich“, der mit dem Gestaltwandel der Arbeit von „lebendig“ zu „gegenständlich“ konform geht. Aber sie sind insoweit klüger und weitblickender als wir, da sie nicht auf den Gedanken kommen, einen einheitlichen ökonomischen Sachverhalt auf der Ebene des Rechts zu verdoppeln. Sie machen keine Theorie daraus. Dabei bleibt es in Byzanz und später, nach der Rezeption, im Geltungsbereich des gemeinen Rechts. Und es bleibt auch dort so, wo in Deutschland unter Einbeziehung natur- und vernunftrechtlichen Gedankengutes kodifiziert wird. Sowohl das ALR als auch das ABGB verbleiben bei der Tradition, d.h. die im Rahmen der Vertragserfüllung eintretende Verdinglichung wird nicht als ein weiterer Vertrag angesehen. Das mag mit Blick auf die noch vorbürgerlichen Verhältnisse in Deutschland, besonders in Preußen, ohne größere Beweiskraft sein. Anders aber, wenn wir das angloamerikanische Fallrecht wie auch den französischen Code Napoleon in den Blick nehmen, denen das Abstraktionsprinzip ebenfalls unbekannt ist. Letzterer ist zwar römisch „kostümiert“, entsteht aber als ein Gesetzbuch, das zugeschnitten ist auf die ökonomischen Bedürfnisse des längst bürgerlich gewordenen Frankreich - und trotzdem (oder wohl gerade deshalb) kommt es ohne Abstraktionsprinzip aus.

Bemerkenswert also: Hegels Position steht den entsprechenden Regelungen in den Rechtsordnungen der damals ökonomisch fortgeschrittenen Nationen nahe.

Hätte das nicht zu denken geben sollen?

Der Weg, den Deutschland geht, ist ein anderer. Er ist eng mit dem Namen Friedrich Carl von Savigny verbunden.

In Marburg wird seine Liebe zum römischen Recht geweckt. Speziell ist es dessen Geschichte im Mittelalter, der sein Interesse gilt. Sein Ziel ist es, das römische Recht von seinen feudalen Verunreinigungen zu befreien[59], den Anschluss an das Recht der Stadt Rom wiederherzustellen.  Das ist im Kern eine römisch verkleidete Kritik an der Bevormundung der Vertragschließenden durch die feudale Obrigkeit. Unter diesem Aspekt vertieft er sich in das vorhandene Material und beginnt er, über das hier behandelte Problem nachzudenken. Über die Werke der byzantinischen Spätklassiker, der Glossatoren und Postglossatoren verfolgt er die Lehren von „titulus“ und von der „traditio“ durch die Jahrhunderte. Passagen aus den Kommentaren des Paulus und des Julian[60] lassen in ihm die Überzeugung reifen, dass die traditio als Vertrag zu sehen ist.

Wo die Römer sich in ihrer Rechtspraxis damit begnügen, dass der Vertragsgegenstand am Ende tatsächlich übergeben wird, setzt Savigny seinen Ehrgeiz in den Nachweis, dass diese Übergabe mehr ist als ein bloßer Realakt, nämlich ein weiterer Vertrag.  

G. Dulckeit kommentiert:

In byzantinischer Zeit neigte man dazu, „der Tradition selbst Vertragscharakter zuzubilligen. Diese Ansätze hat schließlich Savigny voll entwickelt und dem damit endgültig aus der Taufe gehobenen dinglichen Vertrag zugleich … abstrakte Wirkung zugeschrieben.“[61]

Und es ist wohl mehr diese Neigung als der Gehalt der herangezogenen Textstellen selbst[62], die Savigny verinnerlicht, weiterdenkt und zum Vater des Gedankens macht. Ein spezieller Fall, eine Handschenkung[63], bringt ihn auf die Lösung: Ein Wohltäter tritt an einen Bettler heran und überreicht ihm ein Geldstück. Ein Eigentum übertragender Vorgang und unzweifelhaft: ein Vertrag! Das ist ihm Beleg dafür, dass am Ende immer ein dinglicher Vertrag steht. Und wenn der abschließende Vorgang, die Übergabe, immer ein (dinglicher) Vertrag ist und unstreitig ist, dass der davorliegende Teil, das vorgeschaltete Grundgeschäft, ebenfalls ein (obligatorischer) Vertrag ist, müssen also zwei Verträge vorliegen. Im Wintersemester 1815/16 sieht er sich am Ziel. Er spricht das „erlösende Wort“ Vertrag aus; er ist sich jetzt sicher, dass es im Interesse einer rechtsgültigen Übertragung „eines spezifisch-sachenrechtlichen Vertrages, des dinglichen Rechtsgeschäfts“[64] bedarf. Über seine Schüler, besonders über jene, die die Lehrstühle der deutschen Universitäten erobern werden, breitete sich die neue Lehre rasch über ganz Deutschland aus. Lange vor dem „System“ der Jahre 1840 ff. war sie nicht nur herrschende Meinung, sondern, besonders über die Werke Puchtas, Windscheids und Bährs, zur absoluten Wahrheit erhoben.

An der Berliner Universität der Jahre 1818 ff. werden also - von Hegel und von Savigny – zur hier behandelten Frage zwei extreme Standpunkte vertreten: Ersterer sieht den Eigentumsübergang am Anfang, Letzterer verlegt ihn auf das Ende. E. Gans, der in seinen wissenschaftlichen Arbeiten und später auch in seinen Vorlesungen in Sachen „Recht“ die Position Hegels vertritt, ist deswegen heftigen Anfeindungen Savignys und seiner Anhänger ausgesetzt.[65]

Aber womit Savigny den Römern scheinbar „logisch“ auf die Sprünge hilft und sie ergänzt, versperrt der Zukunft – die zu seiner Zeit auch in Deutschland bereits Gegenwart geworden ist – den Weg ins Recht. Die Folge ist ein deutscher Sonderweg, der im BGB und vielen Nebengesetzen seinen Niederschlag findet. Deutschland wird das Land, wo es für nötig befunden wird, einen einheitlichen ökonomischen Sachverhalt, eine „Geschäftseinheit“[66], juristisch in zwei Verträge, in eine „Geschäftsverschiedenheit“, aufzuspalten.

Kritik am Abstraktionsprinzip hat es in Deutschland bereits im Rahmen der Debatten zum BGB-Entwurf gegeben. O. v. Gierke z.B. sah darin eine „Vergewaltigung des Lebens“, weil ein einheitlicher Vorgang auf zwei Rechtsgeschäfte verteilt wird.[67] Noch grundsätzlicher urteilt A. Menger. Er kritisiert die den ganzen Entwurf beherrschende Tendenz, „die Eigentumsordnung von ihren wirtschaftlichen Grundlagen loszureißen“. Und das zu einer Zeit, „wo die gesamte Eigentumsordnung schwankt und erzittert wie ein Schiff in der sturmbewegten See“[68]. Aber die Argumente der Kritiker besaßen nicht genug Durchschlagskraft, um die in der Mehrheit befindlichen Befürworter davon abbringen zu können. Der Stolz auf diese Errungenschaft überwog. Dabei hätte eine grundsätzlichere Kritik schon mit Blick auf das weltweit tonangebende französische und anglo-amerikanische Recht nahe gelegen.

Lebhaft diskutiert wurde das Abstraktionsprinzip erst wieder im Rahmen des Vorhabens „Volksgesetzbuch“ in den Jahren des „Dritten Reiches“; es stieß damals nahezu einhellig auf Ablehnung. P. Heck, damals im Rahmen der Erarbeitung des VGB mit einer Stellungnahme dazu beauftragt, urteilt nüchtern und praxisbezogen wie folgt: Theoretisch sei es nach neuerem Forschungsstand so: „Nicht die kausale Gestaltung der älteren Gesetze ist das Produkt wissenschaftlicher Missverständnisse. Sondern diese Kennzeichnung gilt gerade für die abstrakte Theorie.“ Diese ist „im Grunde nichts anderes als ein eingeschobener Fremdkörper, eine unglückliche Episode in der Geschichte der deutschen Rechtsentwicklung.“[69] Bisher habe er dazu eine vermittelnde Stellung bezogen, da „sich die Gründe für und wider ziemlich aufwiegen.“ Jetzt aber habe er die abstrakte Gestaltung als lebensfremd, als eine „Fehlgestalt“[70], erkannt und plädiere dafür, die Neugestaltung des Privatrechts zu nutzen, um sie „durch eine kausale Gestaltung zu ersetzen.“[71] Mag dieses überflüssige Beiwerk also ausgemustert werden; ein Schaden entsteht dadurch nicht. Da es gewissermaßen „schadenneutral“ ist, hätte Heck wohl aber keinen Grund gesehen, es abzuschaffen, hätte damals nicht die Reform des Privatrechts auf der politischen Tagesordnung gestanden.

Man sage nicht, dass die damals erhobenen Einwände allein deshalb aus der Wertung fallen, weil sie aus dieser Zeit stammen.[72] Die damals favorisierte kausale Gestaltung mag der „nationalsozialistischen Gedankenwelt“ näher[73] stehen als das Abstraktionsprinzip. Trotzdem ist sie kein genuin nationalsozialistisches Institut, wie allein die weltweite Geltung des Kausalprinzips zeigt.[74] Und die damaligen Kritiker knüpfen im Wesentlichen nur an das an, was bereits fünfzig Jahre vor ihnen honorige Wissenschaftler wie O. v. Gierke, E. Strohal und A. Menger einzuwenden hatten. 

In der nachfolgenden BRD fehlte bislang der politische Wille, das BGB durch eine zeitgemäße Kodifikation zu ersetzen. Und ohne solche Neugestaltung des gesamten Privatrechts hätte es den Aufwand nicht gerechtfertigt, bloß das Abstraktionsprinzip daraus zu entfernen. Noch dazu, da es ja „schadenneutral“ existiert. Und noch dazu auch, weil noch immer der Stolz auf diese Errungenschaft überwiegt. Selbst die im Rahmen der EU angestrebte Vereinheitlichung des Privatrechts war nicht Grund genug, davon abzurücken.

Blicken wir zur DDR. Dort bestand aufgrund der völlig anderen sozial-ökonomischen Strukturen, die  einen Bruch mit der traditionellen Rechtsordnung nach sich ziehen, ein Bedarf an Veränderung. Klarer Fall: das BGB stand einer Planwirtschaft realsozialistischen Typs im Wege. Im Bereich der volkseigenen Wirtschaft wurde es daher sehr früh nahezu außer Kraft gesetzt. Nicht der zweiseitige, sondern der einseitige Wille, der Befehl, stand 40 Jahre im Vordergrund. Eine Rolle spielte das BGB bis zur Ablösung durch das ZGB (1.1.1976) nur noch in dem überschaubaren und peripheren Bereich der Bürgerbeziehungen. Auf diesem Hintergrund leuchtet ein, dass eine so exotische Konstruktion wie das Abstraktionsprinzip hier keinen Nährboden fand. Dass es bei der Erarbeitung eines ZGB[75] ohne weitere Diskussion fallen gelassen wurde, versteht sich von daher fast von selbst. Die Entscheidung wurde bereits Anfang der 50-er Jahre getroffen. H. Kleine[76] charakterisierte es damals in seiner Doktorarbeit als ein „den besonderen preußisch-deutschen Bedingungen der Entwicklung des Kapitalismus“ geschuldetes Prinzip. Weltweit nahezu einzigartig, sei es als ein Gegengewicht entwickelt worden, um die „erstarkende preußisch-deutsche Bourgeoisie der polizeilichen Bevormundung und bürokratischen Überwachung ihres gesamten Geschäftsbetriebes“ durch einen noch halbfeudalen Staat zu entziehen.[77] Als dieser spezifisch deutsche Grund später entfiel, habe die Rechtsprechung das Ihre getan, um auch das deutsche Privatrecht dem internationalen Stand anzugleichen, sprich: die Konsequenzen aus dem Abstraktionsprinzip abzumildern.

Mit dieser von H. Kleine angesprochenen „polizeilichen Bevormundung und bürokratischen Überwachung“ des über Verträge geregelten bzw. vollzogenen bürgerlichen Lebens, scheint mir eine „heiße Spur“ zu den tatsächlichen Motiven gelegt zu sein, die Savigny damals bewogen haben, aus schwachen, unsicheren Quellen[78] seine Schlüsse zu ziehen. Man denke an seine Haltung zum ALR. Für ihn ist das die schlechteste unter den drei großen Kodifikationen dieser Zeit, eine „Sudelei in Form und Materie“, wie er seinem Schwager A. v. Arnim schreibt.[79] Der von ihm in den Himmel gehobene „freie Wille“ ist dort nach allen Seiten eingeschränkt. Die Kausalgeschäfte und die dort zum Ausdruck kommenden Motive und Zwecke stehen unter Beobachtung eines vorbürgerlichen Staates; sie können durch Einwirken der Obrigkeit jederzeit zu Fall kommen. Aus der Sicht der sich auch in Deutschland bahnbrechenden bürgerlichen Gesellschaft und der in ihr tonangebenden Agenten: eine Zensurinstanz. Bei dieser Sachlage kann das „Aus eins mach zwei“, die Verteilung eines einheitlichen Vorganges auf zwei juristische Transaktionen, eine Hilfe[80] sein, kann als eine spezifische Reaktion auf die eingeschränkte Vertragsfreiheit angesehen werden. Eine „Verdoppelung der Willenseinigung“[81]: Kommt das Kausalgeschäft aufgrund obrigkeitlicher Eingriffe zu Fall, bleibt wenigstens das Übertragungsgeschäft wirksam. Die Devise „doppelt hält besser“ ergab in dieser Zeit, unter diesen spezifischen Umständen also durchaus einen Sinn. Und stellt man diese Stoßrichtung in die Mitte, wird auch klar, dass Gesellschaften mit eingeschränkter Vertragsfreiheit am wenigsten mit dem Abstraktionsprinzip anzufangen wissen. Auch von daher verstünde sich also die ablehnende Haltung im „Dritten Reich“ wie auch in der späteren DDR.

Aber gilt dieses Argument auch im Deutschland um die Wende zum 20. Jahrhundert und gilt es auch noch heute?

 

5. Abschließend: Warum beharren wir auf dem Abstraktionsprinzip…

obwohl „[r]echtshistorisch wie rechtsvergleichend … alle besseren Gründe für die baldige Abschaffung dieses Prinzips“ sprechen?[82]

Die aufgezeigten philosophischen und ökonomischen Hintergründe des Abstraktionsprinzips sind – bis auf die erwähnten Ausnahmen - bis heute unerörtert geblieben. Aber was soll man von einer Rechtswissenschaft auch erwarten, die glaubt, ihre Wissenschaftlichkeit beweise sich in positivistischer Denkungsart. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sich in jüngerer Zeit der Schwerpunkt der Argumentation verlagert hat: Je mehr zum Allgemeingut wird, dass die römischen Quellen nicht ausreichen, um das Abstraktionsprinzip zu legitimieren, wird die schöpferische Leistung Savignys darin gesehen, eine philosophische Begründung dafür „geliefert“ zu haben. Da Savigny  dort, wo er „philosophisch“ wird, auf Kant[83] zurückgreift, sind wir bei dessen, bereits oben (unter 3.) vorgestellten, Einteilung in Sachenrecht und „persönliches“ Recht. Und ebenso sind wir bei deren kritischer Beurteilung durch Hegel. Die „Mensch-Person“ Kants, die auch die „Person“ Savignys ist, zwingt zur Trennung von „Mensch“ und „Sache“ und – um auf den entscheidenden Punkt zu kommen – zur Trennung von „lebendiger“ und „vergegenständlichter“ Arbeit; die Arbeit, der Arbeitsprozess wird aufgespalten in jenen Teil, der der „Mensch-Person“ zugeordnet ist, also jenem ominösen Bereich des „freien Willens“, und jenem Teil, der der „unfreien“ Natur gilt, woraus sich ergibt: „Schuldrechtliches und sachenrechtliches Geschäft sind strikt voneinander zu trennen (Trennungsprinzip).“[84]

Selbst die Notwendigkeit einer Rechtsvereinheitlichung im Rahmen der EU hat die deutsche Rechtswissenschaft nicht dazu bewegen können, von diesem „verhängnisvollen begrifflichen Irrtum“[85], Abschied zu nehmen. In der Überzahl ihrer Vertreter hält sie dem Abstraktionsprinzip nach wie vor die Treue, ja verwendet viel Fleiß darauf, es mit diesen und jenen Argumenten zu verteidigen. Und obwohl wir damit weltweit nahezu alleine dastehen, gibt es Meinungen, die dahin tendieren, dass sich Europa lieber uns als wir ihm anpassen sollte.

Und warum dieses zähe Beharren? Etwa, weil sich die Logik des BGB, auf die wir so stolz sind, in wesentlichen Punkten als Unlogik, seine Konstruktion sich als Fehlkonstruktion zeigen würde?

Aufschlussreich ist, was F. Peters Mitte der 80-er Jahre dazu sagt. Er bescheinigt jenen Rechtsordnungen, die das Abstraktionsprinzip nicht kennen bzw. die es trotz Kenntnis nicht ebenfalls übernommen haben, größere Lebensnähe und „wohl auch klarere Ergebnisse“[86]. Und trotzdem: „Von dieser einmal getroffenen Entscheidung wieder abzurücken, wäre ein waghalsiges Unternehmen.“ Denn es ginge nicht bloß darum, eine Handvoll Paragrafen zu ändern oder auszutauschen, sondern – weil das BGB und viele seiner Nebengesetze vom Abstraktionsprinzip durchdrungen sind – um eine Neufassung unseres Privatrechts. Bei bloßer Korrektur bestünde die „Gefahr von Systembrüchen“[87]. Der „Geist“ des BGB stünde auf dem Prüfstand und müsste, soweit er sich in „Fehlkonstruktionen“[88] zeigt, korrigiert werden. Aber diesen „Geist“ und dessen Logik aus dem deutschen Privatrecht zu vertreiben und durch den Geist der Moderne zu ersetzen, könnte bedeuten, dass „ein Erdbeben durch das BGB [geht], dessen Auswirkungen sich gar nicht abschätzen lassen.“[89] Wer weiß, was herauskäme, würde man sich von ihm zugunsten jenes Geistes verabschieden, der unser modernes Wirtschaftsleben durchweht. Und ein ganz wichtiger Punkt ist auch die Frage, ob überhaupt ein Ersatz des BGB möglich ist. Wie die Zeit um 1815 in Deutschland nicht für „Kodifikation“ stand, so auch die unsere nicht. Zeiten, in denen Jahr für Jahr tonnenweise „Recht“ in die Welt gesetzt wird, sind nicht Zeiten der Kodifikation. Vorherrschend ist heutzutage situatives, auf Prozesse, auf Havarie-Situationen gerichtetes Recht; Maßnahmerecht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass mir Savigny darin zustimmen würde. Wo sollte man anfangen, wo enden? Nährboden der Privatrechts-Kodifikationen war die sogenannte „freie Konkurrenz“, jener kurze Zeitraum in der Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft, in der die Sphären „Produktion“ und „Zirkulation“ sauber getrennt vor uns lagen, wo eine ökonomische Gleichgewichtslage vorherrschend war. Hier traf zu, was für F. Engels eine wesentliche Voraussetzung einer Kodifikation ist:

„In einem modernen Staat muss das Recht nicht nur der allgemeinen ökonomischen Lage entsprechen, ihr Ausdruck sein, sondern auch ein in sich zusammenhängender Ausdruck, der sich nicht durch innere Widersprüche selbst ins Gesicht schlägt.“[90]

Die heutige „ökonomische Lage“ ist gegenüber jener zur Zeit der „freien Konkurrenz“ derart in Richtung „Ungleichheit“ verschoben, dass sich möglicherweise ein „in sich zusammenhängender“ Ausdruck, ein kleinster gemeinsamer Nenner, nicht finden ließe. Man denke an die Welten, die zwischen kleinen und mittelständischen Unternehmen und den sogenannten global Players liegen, an die Schere von arm und reich überhaupt, die so riesengroß geworden ist[91], dass sie kaum noch in Worte und daher auch nicht in Rechtsworte zu fassen ist. Fehlt aber das Mindestmaß an sozialer Homogenität und Interessenübereinstimmung, könnte eine Kodifikation des Privatrechts allein daran scheitern.[92]

Sicher: das BGB ist hoffungslos veraltet und nur Rechtsprechung und Wissenschaft sorgen dafür, dass es sich nicht zum Hindernis des modernen Geschäftslebens auswächst. Aber wer weiß, was zutage träte, wollte man heute das Privatrecht grundlegend reformieren. Vielleicht ist es ja gerade deshalb einer Neu-Kodifikation vorzuziehen, weil es veraltet ist. Immerhin steht es heute für eine „gute alte Zeit“ und der Versuch einer Neuregelung würde nur zeigen, dass die Zeiten sich zum Nachteil jener Werte entwickelt haben, deren Fahne über dem BGB weht.

Vielleicht steht das Abstraktionsprinzip für den Fall in Reserve, dass der Vertrag wieder unter eine obrigkeitsstaatliche Fuchtel geraten könnte? Thematisiert wird ein solches Szenario in der Literatur nicht. Allenfalls schwingt es unterschwellig mit, wenn bis heute ein höherer „Verkehrsschutz“ sowie eine angeblich schnellere und problemlosere Ressourcenzuweisung ins Feld geführt werden, Gründe, die schon die Redaktoren des BGB pro Abstraktionsprinzip entscheiden ließ. Soll heißen: Wer fix ist, hat sich im Falle der Anfechtung des Kausalgeschäftes, durch wen auch immer, mit dem Erworbenen bereits aus dem Staub gemacht, bevor eine  Entscheidung darüber getroffen ist.

Wäre es so, ergäbe das zähe Festhalten daran einen Sinn. Aber mir scheint, dass im Mittelpunkt doch jener urdeutsche Stolz steht, mit dem Abstraktionsprinzip die, wenn vielleicht auch wenig praxisrelevante, so doch logisch stimmigere und wenigstens darin dem Rest der Welt überlegene, Lösung gefunden zu haben.[93]



[1] Ob für die Entscheidung relevant oder nicht: Das Vorzeigen solcher Kenntnis macht die Würze einer Klausur im bürgerlichen Recht aus. Die vier und mehr Punkte – je nachdem wie wichtig der jeweilige Prüfer das Abstraktionsprinzip nimmt – Unterschied können über die spätere Karriere des Kandidaten entscheiden.

[2] P. Heck, Das abstrakte dingliche Rechtsgeschäft, Tübingen 1937, S. 1f.

[3] Siehe dazu: U. Prange, Friedrich Carl von Savigny und das Abstraktionsprinzip, in: Thomas Hoeren (Hrsg.), Zivilrechtliche Entdecker, München 2001, S. 73-105.

[4] § 33 R.

[5] Marx, GR S. 157.

[6] Marx/Engels AS II, S. 363.

[7] Was bei beiden zu kurz kommt: Die Frage, welche Bedeutung der Feudalismus, auch das feudale Recht, als die ihm unmittelbar vorhergehende (Rechts-)Ordnung für den Kapitalismus hat, was letzterer von ersteren „erbt“. Immerhin verweist Engels aber im gleichen Zusammenhang (AS II, S. 363) auf die englische Entwicklung, wo – „im Einklang mit der ganzen nationalen Entwicklung“ – „die Formen des alten feudalen Rechts großenteils beibehalten und ihnen“ ein bürgerlicher Inhalt gegeben wurde.

[8] Marx, GR S. 157.

[9] Vgl. § 32/A R.

[10] § 33/Z R.

[11] Wie sich dies am Beispiel der Indianer Nordamerikas zeigt, an Menschen also, die der antiken Freiheit nahe stehen, nicht der jetzigen. Sie sind  nun die bloßen Gegenüber der „produzierten“ Natur und ihrer „Personen“, werden als bloße Objekte gesehen und behandelt oder führen als „geschützte Art“ ein Reservat-Dasein.

[12] § 40/A R. – Hervorhebungen bei H.

[13] Vgl. Marx, GR S. 156.

[14] Salopp gesagt: Jeder ist jetzt sein eigener Herr und Sklave zugleich.

[15] § 39 R.

[16] Dazu: B. Rettig, Hegels sittlicher Staat, Bedeutung und Aktualität, Köln, Weimar, Wien 2014, S. 19-47.

[17] Hegel in § 33/Z R: „Der freie Wille muss sich … ein Dasein geben, und das erste sinnliche Dasein sind die Sachen, das heißt die äußeren Dinge.“ Beide ergeben das, „was wir Person nennen“.

[18] § 33/Z R.

[19] Marx bezeichnet in den „Grundrissen“ (S. 157) diese juristischen Personen als die Individuen des Austausches.

[20] § 35/Z R.

[21] E. Gans, Naturrecht und Universalrechtsgeschichte. Vorlesungen nach G.W.F. Hegel, hrsg. u. eingel. v. Johann Braun, Tübingen 2005, S. 79; Bloß „Menschen“ waren die Indianer Nordamerikas. Und auch den Sklaven in den sklavenhaltenden Südstaaten der USA wurde meines Wissens die (biologische) Qualität „Mensch“ nicht abgesprochen. Dennoch: die „Menschenrechte“ der amerikanischen Verfassung galten nicht für sie, weil diese unter „Mensch“ falsch firmieren und richtig „Personenrechte“ heißen müssten. Geschützt ist durch sie nur die „Person“; und wie bekannt dauerte es bis in die 60-er Jahre des 19. Jahrhunderts, ehe auch in den Südstaaten wenigstens auf dem Papier durchgesetzt war, dass alle Menschen als „Personen“ zu gelten haben.

[22] § 43/A R.

[23] § 67 R: Das Arbeitsvermögen in Gestalt der individuellen „körperlichen und geistigen Geschicklichkeiten“ hat ein „äußerliches Verhältnis zu meiner Totalität und Allgemeinheit erhalten.“

[24] § 45/A R.

[25] G. Dulckeit, Rechtsbegriff und Rechtsgestalt, Berlin 1936, S. 98. Eine Schrift, die Beachtung verdient, in der neueren Literatur aber kaum erwähnt, geschweige denn (positiv) zitiert wird. Sie ist, obwohl 1936 erschienen und im Dunstkreis der Binder-Gruppe angesiedelt, als wichtiger Bestandteil der Hegel-Literatur anzusehen, noch dazu jener, die sich der „Rechtsphilosophie“ widmet.

[26] § 49 R – Hervorhebung bei Hegel.

[27] § 45 R.

[28] L(B), S. 197.

[29] Das hat dazu geführt, dass dem ungenügenden Eigentumsbegriff des Privatrechts in Deutschland ein steuerrechtlicher und   verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff zur Seite gestellt werden musste. Im Unterschied dazu liegt dem ABGB von 1811 ein weiter, der Auffassung Hegels nahestehender, Eigentumsbegriff zugrunde; in § 353 heißt es dort: „Alles, was jemanden zugehört, alle seine körperlichen und unkörperlichen Sachen, heißen sein Eigentum.“

[30] Dulckeit, a.a.O., S. 100

[31] Vgl. ebd., S. 107.

[32] MdS., § 25.

[33] § 48 R.

[34] § 33/Z R.

[35] § 71 R.

[36] Hervorhebung bei H.

[37] Dulckeit, a.a.O, S. 99 – Hervorhebung bei D.

[38] § 40/A R.

[39] Es ist nicht leicht, den philosophischen Standort Savignys anhand von Namen zu bestimmen. Der über seine historische Rechtsschule ins Leben gerufene rechtswissenschaftliche Positivismus, wie er bis heute nachwirkt, hat viele philosophische „Väter“, darunter Kant. A. Mazzacane (Carl von Savigny, Vorlesungen über juristische Methodologie 1802-1842, Frankfurt a.M. 1993, S. 38), hält es für sicher, dass das methodologische Herangehen des „frühen“ Savigny „in ausgewogenem Maße kantisch geprägt“ ist. So sieht es auch H. Kiefner (a.a.O.) Aus Sicht E. Wolfs (Große Rechtsdenker, Tübingen, 4. Aufl. 1963, S. 477) stand Savigny eher Jacobi nahe, während er sich von Kant „nach sorgfältiger Lektüre der Hauptschriften“ abwendet. Für den „späteren“ Savigny scheint zu gelten, dass er sich immer mehr ausschließlich als Jurist sieht und sich von aller Philosophie abwendet. (vgl. Mazzacane, a.a.O., S. 40). Wie dem auch sei, die kantische Einteilung ist – mit Abstrichen, die dem hier nicht behandelten „dinglich-persönlichen Rechten“ gelten - auch jene Savignys. 

[40] Siehe dazu: B. Rettig, Staat, Recht, Ökologie, a.a.O., S. 15-21.

[41] Siehe dazu die unter D auf dieser Plattform vorgestellten Beiträge.

[42] Siehe §§ 12, 13 MdS.

[43] Ebd..

[44] § 20 MdS.

[45] §18 MdS

[46] „titulus“ steht also für eine im Vertrag fixierte konkrete Kausalität, die mit der Übergabe ihr Ende findet.

[47] § 40/A R- Hervorhebung bei H.

[48] Hegel wendet sich damit gegen Kant, für den der Vertrag „der Akt der vereinigten Willkür zweier Personen“ ist und zugleich auch gegen Savigny, für den die Obligation „die klagbare, die durch Zwang zu verwirklichende Einschränkung der Freiheit des Schuldners“ ist. (H. Kiefner, a.a.O., S. 15 u. 17).

[49] Und da nützt es nichts, dass dieser „Besitz der Willkür“, falls er eingeklagt wird, nicht mehr, wie in Rom, bis zur Versklavung des Schuldners führt.

[50] Marx, GR S. 157.

[51] § 72 R.; ähnlich § 74 R.

[52] Vgl. Naturrecht, a.a.O., S. 80 u. 86.

[53] E. Rosenstock, Vom Industrierecht, Berlin u. Breslau 1926, S. 138. Der „freie Wille“ ist insoweit reine Fiktion. Frei ist mein Wille nur hinsichtlich der Frage, mit wem ich austauschen will, nicht aber ob ich austausche.

[54] J. Binder, Der obligatorische Vertrag im System der Hegelschen Rechtsphilosophie, Verhandlungen des 3. Hegel-Kongresses vom 19.-23. April 1933 in Rom, Tübingen 1934, S. 49f.

[55] K. Larenz, Verhandlungen des 2. Hegel-Kongresses vom 18.-21.10.1931 in Berlin, Tübingen 1932, S. 141.

[56] Dulckeit, Rechtsbegriff und Rechtsgestalt, a.a.O., S. 102.

[57] Ebd., S. 98

[58] § 79/A R - Hervorhebung bei Hegel. Wie nahe Hegel damit dem Code Civil steht, der damals modernsten Regelung, zeigt dessen Art.   1138:  „Die Verbindlichkeit, eine Sache zu liefern, kommt durch die bloße Übereinstimmung der Vertragsparteien zustande. Sie macht den Gläubiger zum Eigentümer und überträgt auf ihn die Gefahr von dem Augenblicke an, wo die Sache geliefert werden soll, wenn auch die Übergabe nicht erfolgt ist, es sei denn, dass der Schuldner in Lieferverzug ist; in diesem Falle bleibt die Gefahr bim Schuldner

[59] Vgl. W. Felgentraeger, Friedrich Carl v. Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, Leipzig 1927, S. 24.

[60] Zwei Stellen aus dem Corpus Iuris Civilis scheinen ihn zu bestätigen: 1. „Auch durch Übergabe erwerben wir nach Naturrecht Eigentum an Sachen. Denn nichts entspricht so sehr der natürlichen Gerechtigkeit, als den Willen des Eigentümers, der seine Sache einem anderen übereignen möchte, als wirksam anzuerkennen. Daher braucht eine körperliche Sache gleich welcher Art nur übergeben zu werden, und sie wird durch die Übergabe seitens des Eigentümers veräußert.“ 2. „Wenn wir zwar im Hinblick auf die Sache, die übergeben wird, einig sind, hinsichtlich der Erwerbsgründe aber nicht übereinstimmen, dann sehe ich nicht, warum die Übergabe unwirksam sein soll.“

[61] G. Dulckeit, Die Verdinglichung obligatorischer Rechte, Tübingen 1951, S. 31.

[62] Die genannten Textstellen werden aus dieser „Neigung“ heraus über-, wenn nicht gar fehlinterpretiert. Für P. Heck ist die Meinung, dass die römische Tradition die abstrakte Gestaltung vorsah, nicht mehr als gesichert oder auch nur als wahrscheinlich anzusehen. (vgl. Philipp Heck, Das abstrakte dingliche Rechtsgeschäft, Tübingen 1937 a.a.O., S. 43). Mit H. Kiefner gesagt: Savigny interpretierte die römischen Quellen mit großer Unbefangenheit; „regelmäßig so, dass zuerst aus dem System gefolgert wird, hernach erst nach den ‚Ansprüchen der Römer‘ gefragt wird.“ (H. K., Der Einfluss Kants auf Theorie und Praxis des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, In: J. Blühdorn, J. Ritter ( (Hrsg.), Philosophie und Rechtswissenschaft, Frankfurt a.M. 1969, S. 3-25 [S. 14, FN 22]).

[63] Vgl. Felgentraeger, a.a.O., S. 36.

[64] Felgentraeger, a.a.O., S. 34. S.a. U. Prange, a.a.O., S. 86 f.

[65] Dazu sehr eindrucksvoll: J. Braun, „Schwan und Gans“. Die Geschichte des Zerwürfnisses zwischen Friedrich Carl von Savigny und Eduard Gans, JZ 1979, S. 769-776 sowie: Gans und Puchta – Dokumente einer Feindschaft, JZ 1998, S. 763-770.

[66] Heck, a.a.O., S. 39.

[67] O. v. Gierke, Der Entwurf eines BGB und das deutsche Recht, Leipzig 1889, S. 314, 335f.

[68] A. Menger, Das Bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, Tübingen 1890, S. 76f.

[69] Heck, a.a.O., S. 48.

[70] Heck, a.a.O., S. 52.

[71] Ebd., S. 4.

[72] Sie, wie das in der Arbeit von A. Strack (Hintergründe des Abstraktionsprinzips, Jura 2011, S. 9) auffällig geschieht, als „ideologisch“ abzutun ist zwar bequem, geht aber am Kern vorbei und ist übrigens ebenso „ideologisch“ gefärbt.

[73] Heck, a.a.O., S. 4.

[74] So auch F. Peters, Kauf und Übereignung. Zum sogenannten Abstraktionsprinzip, JURA 1986, S. 449-459. Er schreibt (S. 457): „Dass die Kritik am Abstraktionsprinzip im Dritten Reich einen Höhepunkt gefunden hat, kann nicht von vornherein zu ihrer Zurückweisung führen, da sie nicht auf typisch nationalsozialistische Wertungen beruht, sondern Gedanken aufgreift, die auch schon früher geäußert wurden und die auch ausländischen Regelungen zugrunde liegen, die das Abstraktionsprinzip nicht kennen oder jedenfalls nicht mit der Konsequenz des BGB verwirklicht haben.“

[75] Die kausale Gestaltung wird in dessen § 25 deutlich: „Das Eigentum an Sachen kann durch Kauf, Schenkung und anderen Vertrag sowie auf Grund der Entscheidung eines Gerichts, Staatlichen Notariats oder eines anderen staatlichen Organs oder kraft Gesetzes erworben werden.“

[76] H. Kleine, Die historische Bedingtheit der Abstraktion von der causa, Berlin 1953.

[77] H. Büttner, Bericht von der ersten öffentlichen zivilrechtlichen Thesenverteidigung an der Humboldt-Universität, StuR 1953, S. 118-123. (Sie galt der Doktorarbeit H. Kleines).

[78] A. Neumann, Die römisch-rechtlichen (?) Grundlagen des Trennungs- und Abstraktionsprinzips und des dinglichen Vertrages, StudZR 2012, S. 443-460: „Die Quellenlage ist … aufgrund ihrer Lückenhaftigkeit alles andere als eindeutig.“(444).

[79] Brief vom 22. November 1816. Zitiert bei R. Benthaus, Eine „Sudeley“? Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 im Urteil seiner Zeit, Kiel 1996, S. 122. Eine ungerechte Beurteilung der im ALR gewahrten sozialen Dimension des Rechts aus dem Blickwinkel des von ihm favorisierten asozialen römischen Vertragsrechts.

[80] eine Erleichterung des Warenverkehrs – vgl. dazu U. Prange, a.a.O., S. 93.

[81] G. Dulckeit, Die Verdinglichung…, a.a.O., S. 32.

[82] W. Rother, Die Erfüllung durch abstraktes Rechtsgeschäft, AcP 169 Bd. (1969), S. 2.

[83] Siehe dazu die (einschränkenden) Bemerkungen in FN 22.

[84] A. Strack, a.a.O., S. 6.

[85] G. Dulckeit, Die Verdinglichung…, a.a.O., S. 31.

[86] F. Peters, a.a.O., S. 450.

[87] A. Strack, a.a.O., S. 5.

   [88] Ich verweise auf die grundsätzliche Kritik A. Mengers (a.a.O.) am ersten Entwurf des BGB, der mit guten Gründen solche Konstruktionsfehler behauptet.

[89] Peters, a.a.O., S. 458.

[90] AS II, S. 464.

[91] Das Verhältnis der Einkommen von Top-Managern zu den Einkommen der Arbeiter betrug in den USA 1980 1:43, im Jahre 2006 aber bereits 1: 411. Ein Prozent der Weltbevölkerung besitzt 2015 so viel wie die übrigen 99 Prozent. (Quellen: N. Klein, Die Schock-Therapie. Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus, Frankfurt a.M. 2007, S. 627; Bericht der Hilfsorganisation Oxfam, verbreitet u.a. im ZDF am 19. Januar 2016).

[92] Man erinnere sich der zwei Versuche, die es in den zwanziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts gab, das Arbeitsrecht zu kodifizieren. Beide scheiterten bzw. wurden fallen gelassen, obwohl die beispiellos dürftigen Regelungen des BGB hierzu von vornherein dringenden, damals bereits von O. v. Gierke und A. Menger angemahnten, Nachbesserungsbedarf anzeigten.

[93] H. Wieling (Das Abstraktionsprinzip für Europa! ZEuP 2001, S. 301-307) feiert jedenfalls das Abstraktionsprinzip als „Errungenschaft“ und gewichtigen „Teil unserer Rechtsgeschichte und Rechtskultur“. Warum, fragt er, dieses „Bessere dem Mittelmaß … opfern“? (S. 307).

Sitemap zur Person Kontakt Impressum Datenschutzerklärung