Staat - Recht - Ökologie
Hegel-Kaleidoskop
Streifzüge durch Hegels praktische Philosophie
Das Anliegen dieser Seite

Es geht mir darum, auf diesem Weg einen Grundzug der Philosophie Hegels publik zu machen, der aus meiner Sicht in der bisherigen Literatur nicht oder nur ansatzweise behandelt worden ist: ihr ökologisch relevanter Gehalt. Dazu soll die Ausgangsthese meiner bisherigen Arbeiten verifiziert und verdeutlicht werden, dass der Philosophie Hegels die Dialektik zweier Naturen, der menschgeschaffenen „produzierten” und der „vorgefundenen” Natur, zu Grunde liegt. Erstere ist das Ergebnis eines „Stoffwechsels”: der „Stoff” der „vorhandenen” (der „primären”, wie ich sage) wird zu „Stoff” der „produzierten” Natur verarbeitet.

Die eine Natur wird erbaut, die andere nutzen wir als Baumaterial.

Tausende von Jahren sind diese zwei Naturen unter Führung der „primären” Natur in einem „naturwüchsigen Gemeinwesens” zur Einheit gebracht. Aber in dem Maße, wie die „produzierte” Natur vorankommt, sich ausbreitet und an Macht gewinnt, verliert das „naturwüchsige Gemeinwesen” seine einigende Kraft. Und schließlich das: es zerbricht.

Dieser Bruch setzt die beiden Naturen frei. Ein historisches Ereignis erster Ordnung. Ein Wendepunkt. Ein Sieg. Eine Befreiung.

Die „frei” gewordene „produzierte” Natur gibt sich nun einen Namen und heißt fortan „bürgerliche Gesellschaft”.

Und nun, da die frühere „Einheit” unter Führung der „primären” Natur verloren ist, schwingt sich die „produzierte” Natur zur „Führungsnatur” auf. Für die Liberalen wie für Marx/Engels eine Umkehrung des früheren Zustandes, die sie gutheißen. Nicht so Hegel. Für ihn ist diese Umkehrung hoch problematisch, da sie jetzt eine Natur zum Herrn macht, die ihre Existenz von der anderen ableitet. Sollen beide Naturen Bestand haben, soll dieser „Sieg” nicht zum Pyrrhussieg werden, bedürfen sie, dringender denn je, wiederum der „Einheit”, damit: der Vermittlung durch etwas, das außer ihnen liegt, der Vermittlung durch ein Drittes.

Wie sieht sie aus, diese Vermittlungsinstanz – jetzt, nach dem Untergang des „naturwüchsigen Gemeinwesens”? Das ist die Frage, die Hegel umtreibt. Die Antwort, die er findet: es bedarf des „Vernunftstaates”, d.h. eines Staates, der die Aufgabe des „naturwüchsigen Gemeinwesens” unter den jetzigen Bedingungen: anerkannte Existenz zweier Naturen mit gegensätzlichen Interessen, fortführt. Ein vernünftiges Miteinander! Die Vernunft tritt als Mittler an die Stelle von „Blut und Boden”.

Vernunft! Hegel kommt uns mit der größten Zumutung. Denn wer von uns will schon vernünftig sein? Vor allem: wer kann sich das leisten? Wer in der bürgerlichen Welt seinen Schnitt machen, auch, wer in ihr nur einigermaßen über die Runden kommen will, muss sich ihren tausenderlei Sachzwängen, muss sich ihren Prinzipien, muss sich ihrem Zweck unterordnen. Diese aber laufen auf Knechtung und gnadenlose Ausbeutung der Natur hinaus.

Längst hätte umgesteuert werden müssen. Eine ökologische Wende, würde sie weltweit sofort eingeleitet, käme bereits spät genug. Bleibt sie aber aus, ist das Ende unserer bisherigen Zivilisation vorprogrammiert. Nicht für morgen, nicht für übermorgen. Aber in hundert Jahren wird wohl der letzte unserer Art hier, auf der Erde, das Licht ausmachen. Bis dahin, meint Hawking, sollte die Erdbevölkerung (oder jener kleine Teil davon, der sich eine Fahrkarte leisten kann) auf einen anderen Planeten umgesiedelt sein - gesetzt, wir finden einen geeigneten. Und dann? Dort weitermachen wie bisher?

Schon jetzt sprechen die Zeichen der Zeit eine deutliche Sprache. Jeder der Konflikte, wie sie heute in reichlicher Zahl weltweit auftreten, ist mindestens bereits mitverursacht durch die Krise unserer Umwelt. Und sehr wahrscheinlich markieren sie nur den Anfang. Was vorerst zu Hauf an den Rändern, bei den schwächsten Kettengliedern, einer gegen die Natur organisierten weltbürgerlichen Gesellschaft geschieht, wird in Zukunft wohl mehr und mehr auch den Alltag ihrer Zentren bestimmen.

Es brodelt an allen Ecken und Enden. Überall zeigen sie sich: die Auflösungserscheinungen in Gestalt von wirtschaftlichen und kulturellen Verfall, von Bürgerkriegen, von Flüchtlingsströmen, von Terror. Auf breiter Front bekommen wir sie zu spüren: die Gegenwehr der anderen Natur. Oder so gesagt: Wir ernten, was wir gesät haben.

Dem sittlichen, beide Naturen vermittelnden, Staat steht eine bürgerliche Gesellschaft zur Seite, die sozialverträglich ist. Der eine ist ohne die andere nicht denkbar. Hegel wusste bereits, dass Naturverträglichkeit und Sozialverträglichkeit eine Einheit bilden und ein ökologischer Umbau unserer jetzigen Gesellschaften deshalb nur im Verbund mit ihrem sozialen Umbau gelingen kann. In den letzten Jahrzehnten haben wir jedoch erfahren müssen, dass die Kluft zwischen „arm” und „reich” unverträglich groß geworden ist. Statt auf dem Vormarsch zu sein, droht der „Sozialstaat”, der ohnehin für die Mehrheit der Weltbevölkerung bis heute ein Fremdwort geblieben ist, zum Auslaufmodell zu werden. Es geht mir also auch darum, Hegel als einen Vordenker des Sozialstaates zu zeigen.

Da ich von Hause aus Jurist bin, geht es mir nicht zuletzt darum, an konkreten Beispielen zu zeigen, wie die Rechtsauffassung Hegels für die Praxis nutzbar gemacht werden könnte, wenn auch nur die geringste Bereitschaft bestünde, den herrschenden Rechtspositivismus durch seine dialektische Auffassung vom Recht zu ersetzen oder doch wenigstens zu ergänzen. Insoweit versuche ich, E. Gans nachzueifern, den zu seiner Zeit das gleiche Anliegen umtrieb.

Die hiermit vorgestellten „Bilder” sind teils mehr oder weniger inhaltlich veränderte Passagen aus meinen Büchern, teils sind die Texte neu erstellt. Immer geht es mir darum, die Aktualität und eminent praktische Bedeutung des Hegelschen Werkes zu zeigen. Geplant ist, die Seite bis zum 250. Geburtstag des Meisters Monat für Monat zu vervollständigen – vorausgesetzt, dass meine körperlichen und geistigen Kräfte dem Stoff noch solange gewachsen sind.

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Das Themenangebot
A. Grundsatzfragen
B. Hegels Staatsbegriff
C. Hegels Rechtsbegriff
D. Hegel als Vordenker des Sozialstaates
E. Ausblick
Verwendete Siglen und Abkürzungen

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